2
Dez
2007

Miese Woche

Ich bringe gerade eine anstrengende Woche hinter mich. Sie begann mit einem ereignislosen Wochenende und wird vermutlich auch so enden. Dazwischen lagen Tage voll quälender Gedanken, gezeichnet von Ansätzen von Verwahrlosung und geprägt von beunruhigenden Anzeichen was meine Zukunft anbetrifft. Vielleicht wird dies die Woche sein, in der jener Auflösungsprozess begann, der meinen Hoffnungen ein Ende bereitete (ich weiß nicht, was mir dann noch helfen kann). Oder sie wird als das letzte denkwürdige Tief vor einer Serie guter Monate in meine Geschichte eingehen.

Ich ergänzte die psychische Belastung – zunächst von der Auseinandersetzung mit meinem Partner herrührend – mit körperlichen Kraftakten bei meiner Arbeit, sodass ich oftmals zerschlagen nach Hause kam, unfähig irgendwas zu tun, außer meine kleine Wohnung weiter zu verschmutzen und im Bett herumzulungern. Der Konsum von Cannabis direkt nach Feierabend, das heißt am Nachmittag, also zu einer für mich ungewöhnlichen Zeit, machte mich orientierungslos und unkonzentriert, sodass ich an drei Tagen nichts weiter tat als vor dem Fernseher zu hocken (nahezu vor diesem Apparat zu Kreuze zu kriechen), obwohl mich das Programm anwiderte und verstörte. Die blitzkriegschnellen Bilder der Werbeindustrie, die zumeist hohlköpfigen Serien für die Damenwelt und die eintönigen Krimisendungen machen mich regelmäßig krank im Kopf. Wenn dann noch die "Simpsons" versagen, geht eigentlich nichts mehr. Aber ich musste weiterschauen, weiter hin und her schalten, weil ich mit meinen Gedanken nirgendwo hin konnte, es sei denn, ich fand mal für eine Dreiviertelstunde die Kraft, ein Buch zu lesen. (Es war immerhin „Die Geburt der Dritten Welt“ von Mike Davis, ein hochlöbliches, erhellendes Stück Geschichtsforschung).

Der Leser wird anhand dieser Zeilen rasch feststellen, dass ich ein einsames Leben führe. Ich muss zugeben, dass die Situation festgefahren ist. Der erste Versuch eines Befreiungsschlags in Form eines Umzugs in eine andere Stadt hat mich nur weiter in die Isolation getrieben, die schon ein beängstigendes Ausmaß angenommen hat. Es gibt Zeiten, da komme ich mit der Situation gut zurecht, obwohl der Wunsch, ihr ein Ende zu setzen, stets das Leitmotiv meiner Gedanken ist.

Viele Menschen sind einsam. Es ist kein schönes Thema, genau so wenig wie eine Krankheit. Wer von ihr infiziert wurde, muss selbst damit klar kommen. Und der Befallene will auch meist nicht über die Krankheit reden. So geht es mir. Ich bin einer dieser Gestrandeten im öden Meer der Anonymität, das vom Kapitalismus geschaffen wurde. Ich begnüge mich mit dem Auswerfen von Flaschenpost. Man kann natürlich nicht nur dasitzen und auf Rettung hoffen, aber es fällt mir immer noch unheimlich schwer mich aufzuraffen und Maßnahmen zu ergreifen. Ich weiß nicht mal, wo ich ansetzen soll – außer jenen mühevollen Weg zu beschreiten, den ich mir selbst ausgewählt habe, dessen Begehung mir aber weiterhin unglaublich schwer fällt. Es ist natürlich nie zu spät, glücklich zu werden, aber die objektiven und subjektiven Strukturen, die in die Einsamkeit führten oder von ihr erzeugt werden, behindern mich wie eine schwierige Erblast, die man scheinbar nicht so leicht los wird. (Ich kann verstehen, wenn andere dies als Humbug abtun).

Es gibt Momente, da glaube ich, zumindest eine momentane Erleichterung erleben zu dürfen, und die dann ins Gegenteil umschlagen, weil die sich anbahnende Möglichkeit einfach wieder verschwindet. Auch dies geschieht nur allzu oft anhand der gleichen Muster. Da war bspw. Ms Anruf. Sie schafft es, zu Zeitpunkten auf sich aufmerksam zu machen, wo ich am allerwenigsten mit ihr rechne, obwohl ich öfter als mir lieb ist an sie denke. Sie beweist somit ihre Existenz, nur um gleich wieder in die Versenkung zu verschwinden. Dabei lässt sie mich mit den amourösen Versprechungen, die sie in winzigen, aber wirkungsvollen Dosen andeutet, wieder allein. Das ist nun schon das dritte Mal, das dies so abgelaufen ist. Nachdem ich monatelang vergeblich auf eine Nachricht von ihr gewartet habe, ruft sie also an, bittet mich um ein Treffen, welches sie dann bald darauf wieder absagt mit der Beteuerung, kurzfristige Termine noch in petto zu haben. Dann passiert nichts mehr. Man kann das mit einem aufkommenden Niesreiz vergleichen, der wieder abflacht und ein unbefriedigendes Gefühl hinterlässt. Dieses Jahr haben wir uns nur einziges Mal gesehen. Sei's drum. Ich will ja gar nicht mehr auf sie warten. Selbst wenn wir uns träfen, würde sich vermutlich nichts ändern; ich würde sie doch nicht dorthin kriegen, wo ich sie haben möchte. Diesmal aber habe ich wohl geglaubt (wenngleich mit einer gewissen Zögerlichkeit), das Timing spräche für mich: Ich war aus diversen Gründen selbstbewusster als sonst, bis diese Woche dann die beschriebene Umkehr erfolgte. Für mich gibt es keinen günstigen Zeitpunkt, es gibt für mich keine Glückssträhne, Rückschläge lassen sich nie lange bitten. M ist wie ein Köder, nach dem ich immer wieder schnappe, um mir Enttäuschungen einzuhandeln. Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben, aber ihre Absage, die mir zunächst nicht viel bedeutete, war für mich wie eine Absage des Schicksals und beeinflusste nachchaltig die miese Stimmung, die fast die ganze Woche über anhielt.

Zuvor war da die schon oben erwähnte Auseinandersetzung mit Mk. Auch hier lohnt es sich nicht, en détail darauf einzugehen. Abgesehen von meiner grundsätzlichen Ablehnung seiner Änderungsvorschläge, die unbefriedigende Umsetzung seiner Vorstellungen sowie dem kurzfristigen Stress wegen des nachträglichen Verhandlungsbedarfs, löste der Konflikt bei mir neue Zweifel an unserem Projekt - wir schreiben ein Theaterstück - aus. Zweifel, die ich in den Monaten, in denen wir endlich mal einen Fortschritt erzielten, fast vergessen hatte. Nun sind jene Zweifel just in dieser Woche von einer dritten Person, einer (arbeitslosen) Lektorin mit Germanistikstudium, teilweise bestätigt worden. Es handelt sich um eine Freundin von Mk. Erstaunlicherweise hat ihr Urteil ihn kaum beunruhigt und seine Entschlossenheit anscheinend nur verstärkt - er spricht davon, dass wir für unser Projekt „kämpfen“ müssten. Er hat einen stärkeren Glauben daran als ich, obwohl ich dringendere Erwartungen daran knüpfe. Ich bilde mir auch ein, die Schwächen unseres Werks klarer zu sehen, so wie ich mir auch einbilde, besser dafür gesorgt zu haben, dass die Qualität zumindest vielversprechend ist.

Um das Verzeichnis der Sorgen zu komplettieren, seien die sich in diese Woche verdüsternden unklaren Zukunftsaussichten hinsichtlich meines Arbeitsplatzes erwähnt. Ungünstige Prognosen mischten sich mit den eigenen aufkommenden Ahnungen und erstickten den Optimismus der vorangegangen Wochen. Es kann sein, dass ich im Januar wieder „freigesetzt“ werde. Ich weiß es nicht; es ist die Politik der Firma nichts zu sagen, solange es nicht unvermeidlich ist (meistens lässt sie dann einfach die Fakten sprechen). Diese Ungewissheit ist fast noch schlimmer als die Aussicht bald wieder arbeitslos zu sein. Nicht, dass ich all die mir zur Verfügung stehende Muße anfangs nicht genießen würde; aber allein die Vorstellung vom Druck, den staatliche Stellen auszuüben imstande sind, macht mich nervös. Das sehr wohl befriedigende Einkommen, an das ich mich in den letzten Monaten gewöhnt habe, wäre futsch, obwohl ich eine schöne Menge angespart habe (meine „Kriegskasse“ wie es nenne) und so ein gewissen Schutz besitze. Nicht zuletzt aber würde ich bald am Übermaß an Freizeit kranken, weil ich leider nichts mit mir anzufangen weiß (außer Bücher zu lesen) und keine neuen Kontakte geknüpft habe.

Es kann also sein, dass ich im Januar 2008 genau so weit bin wie im Januar 2007: ohne Job, ohne Frau, ohne künstlerische Perspektive– und das könnte ich kaum ertragen. Wenn ich an Weihnachten vor dem Fernseher meiner Mutter mich zu Tode langweile, werde ich daran denken, dass es im Jahr davor und auch davor genau so war und die Aussichten gleichbleibend trübe sind. Da kann man doch mal Verständnis dafür haben, dass ich bei dieser früh einbrechenden Dunkelheit und den Schmerzen in den Gelenken, die mich neuerdings bei nasskaltem Wetter befallen, resigniere und mich treiben lasse. Mittlerweile habe ich meine Wohnung zu weiten Teilen auch wieder aufgeräumt, habe das Geschirr gespült, das Fernsehkabel abmontiert, meinen alten Freund C getroffen und zumindest diesen Eintrag hingekriegt. Wenn der Leser mich dafür nicht loben will, dann tue ich es halt selbst.
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